Therapeutischer Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln in der Sportorthopädie
Der Bewegungsapparat ist ständiger Belastung ausgesetzt. Besonders bei Sportlern, aber auch älteren Menschen akkumuliert sich häufig eine übermäßige Belastung der Knochen, Bänder und Gelenke – es kommt zu Luxationen, Frakturen, Bänder- und Muskelrissen. Ein Schicksal, welches für die ein oder andere Sportlerkarriere auch mal das Aus bedeuten kann.
Umso wichtiger ist eine regelrechte Versorgung der Verletzung und optimierte rehabilitative Therapie – und das inkludiert auch die Frage nach der Ergänzung wichtiger Mikro- und Makronährstoffe zur Unterstützung des Regenerationsprozesses. Zuallererst soll sich hier allerdings mit den Problematiken und Folgen einer Sportverletzung auseinandergesetzt werden.
Herausforderung Sportverletzung: Muskelschwund, Psyche & Inflammation
Es steht außer Frage, dass eine Verletzung des Bewegungsapparats, beispielsweise ein Kreuzbandriss, eine ernste Angelegenheit für viele Bereiche bedeutet – der Sportler fällt bei einer Ruptur des vorderen Kreuzbandes (anterior cruciate ligament, ACL) durchschnittlich 8,5 Monate lang aus, erlebt eine große psychische Belastung durch den Wegfall des Berufs und der Leidenschaft sowie der Unsicherheit über eine erfolgreiche Rückkehr. Das beeinflusst wiederum über die Darm-Hirn-Achse das Immunsystem, die Darmgesundheit samt der Zusammensetzung des Mikrobioms sowie die allgemeine Gesundheit negativ .
Hinzu kommen Muskelschwund durch verminderte Belastung und das Risiko für Gelenkentzündungen (Posttraumatische Osteoarthritis, PTOA) . Solche chronisch degenerativen Erkrankungen des Gelenkapparats sind durchaus nicht selten, etwa 40 Prozent der Patienten erkranken im Laufe der Jahre nach einer Ruptur des ACL an PTOA – unabhängig davon, ob die Ruptur operativ oder konservativ behandelt wurde. Eine weitere bekannte Komplikation ist auch die erneute Ruptur aufgrund verminderter Stabilität.
Ätiologie von Erkrankungen des Bewegungsapparats
In erster Linie ist beim Sportler eine Über- oder Fehlbeanspruchung für Verletzungen verantwortlich. Aber auch eine beeinträchtigte Gelenk- und Bänderstabilität beispielsweise aufgrund einer relativen Unterversorgung mit (Mikro-)Nährstoffen spielt, wie auch bei älteren Menschen, eine Rolle. Komplexe Faktoren wie der zyklusbedingte Hormonstoffwechsel einer Sportlerin, der Kollagenstoffwechsel und Umbauprozesse innerhalb des Stützgewebes kommen außerdem dazu.
Der entscheidende Punkt in der Prävention von Sportverletzungen, namentlich besonders Bänderrissen, scheint nach wie vor das Gleichgewicht zwischen Regeneration und Training zu sein sowie das Wissen über den Gesundheitszustand auf Basis von Laboranalysen.
Risikoermittlung für das Auftreten von Sportverletzungen
Ob ein Sportler anfällig für generelle Ausfälle ist, zeigt beispielsweise eine nutritive Analyse oder auch eine Erhebung einer derzeit bestehenden Inflammation. Wie Lee et al. vorschlagen, besteht eine sinnvolle Analyse zur Optimierung der Leistung und Minimierung von Verletzungen sowohl aus Biomarkern zur Feststellung des Ernährungszustands, des Wasser- und Elektrolythaushalts, des Muskelstatus und der kardiovaskulären Gesundheit als auch aus der Analyse des Verletzungsrisikos und bestehender Entzündungen.
Übertragen auf die Verletzungsanfälligkeit des Bewegungsapparats im engeren Sinne bedeutet das in erster Linie, dass Biomarker wie Zytokine (insbesondere das Th1/Th2/Th17-Verhältnis) und CRP eine neue Relevanz bei Sportlern erhalten. Erhebungen der Proteinmasse, des Aminosäurestatus und diverser Mikronährstoffe werden außerdem ebenfalls standardmäßig nur begrenzt durchgeführt, obwohl sie potenziell wichtig zur Abschätzung des Verletzungsrisikos und der derzeitigen Gesundheit des Sportlers sind.
Mittels sinnvoller Diagnostik wie oben beschrieben kann dann gezielte Prävention und im Akutfall auch eine Therapie erfolgen, die über Operation und Ruhigstellung hinausgeht.
Therapie- und OP-begleitende Mikronährstoffempfehlungen in der Sportorthopädie
Heute ist im Kontext von Mikronährstoffen ausnahmsweise mal nicht von Primärprävention die Rede. Der Einsatz einiger Supplements wird nämlich immer wieder auch als Eckpunkt in der Therapie von Sportverletzungen diskutiert. Neben der klassischen Vitamin- und Mineralstoffsupplementierung soll sich heute auf jene Wirkstoffe fokussiert werden, die zur Regulation des Stützgewebes und des Immunsystems wichtig sind, darunter antientzündliche Mikronährstoffe, Aminosäuren, Kollagen und Glucosamin- sowie Chondroitinsulfat.
Antientzündliche Mikronährstoffe bei Arthritis
Entscheidend für die Ätiologie sowie das langfristige Outcome ist vermutlich eine Entzündungsneigung, die das Auftreten von Entzündungen in Zusammenhang mit einer Verletzung des Gelenkapparats begünstigt. Ein Beispiel ist die PTOA als Komplikation einer Ruptur des ACL, gegen die antientzündliche Arzneimittel einen Effekt in Bezug auf die Risikoreduktion zeigten . Eine Supplementierung mit antientzündlichen Mikronährstoffen könnte sich hier also ebenfalls vielversprechend zeigen.
Anwendung finden könnten beispielsweise das potente Curcumin, Methylsulfonylmethan (MSM), Chondroitinsulfat, Glucosaminsulfat und weitere (schwefelhaltige) Mikronährstoffe.
In Studien zur Behandlung von Osteoarthritis zeigt sich das als durchaus sinnvoll. So zeigten Notamicola et al. in einer randomisierten Studie, dass MSM und Boswellia-Extrakt gemeinsam einen positiven Effekt auf die Besserung von Schmerzen, die Einnahme von Medikamenten zur Schmerzlinderung und die Funktionalität des Gelenks im Vergleich zur alleinigen Gabe von Glucosaminsulfat . Beide Interventionen führten zu einer Besserung, wurden hier aber unabhängig voneinander getestet. Weiterhin zeigt Glucosaminsulfat eine Steigerung des TGFβ1 (Transforming growth factor β1) und CTGF (connective tissue growth factor) in Knorpel , weshalb auch Meng et al. in einer Metaanalyse zu dem Schluss kamen, dass Glucosamin und Chondroitin bei Osteoarthritis des Knies effektiv und teilweise anderen Behandlungsmethoden überlegen sind.
Auch zur Anwendung von Curcumin bei entzündlichen Erkrankungen wie der Osteoarthritis gibt es Evidenz. So zeigte eine Metaanalyse von 2022 , erschienen in “Frontiers in Immunology”, dass Curcumin bzw. Kurkuma-Extrakt eine Besserung der Inflammation und des Schmerzniveaus bei Arthritispatienten hervorrufen konnte. Das beruht vermutlich unter anderem auf der Hemmung des NF-κB-Signalwegs (Nukleärer Faktor κB) durch Aktivierung von Nrf-2 (Nuclear Factor Erythroid 2-related Factor 2) , der mitunter für die proinflammatorische Lage verantwortlich ist. So führt eine übermäßige Aktivierung von NF-κB, beispielsweise durch Inhibition von Nrf-2, zu einer verstärkten Ausschüttung von proinflammatorischen Zytokinen wie TNF-alpha und IL-6. Zu dieser Aktivierung kommt es bei Osteoarthritis beispielsweise durch eine DAMP-induzierte (Damage-associated molecular Patterns) vermehrte Differenzierung von Makrophagen des M1-Typs .

Abbildung 2: Inflammatorische Lage bei Osteoarthritis; Differenzierung von M1-Makrophagen durch DAMP’s als potenzielle (Teil-)Ursache für Inflammation und Knorpeldegeneration (aus Wang, 2022)
Im Praxisalltag der klassischen Orthopädie stellen Behandlungen aufgrund von Arthritis einen Großteil des täglichen Volumens dar. Auch wenn zwar der durchschnittliche Sportler nicht mit einer chronischen Arthritis zu kämpfen hat, beziehungsweise diese erst am Ende der sportlichen Karriere auftritt, ist eine Prävention mit antientzündlichen Mikronährstoffen umso interessanter und auch in der Tertiärprävention nach Sportverletzungen relevant. Das zeigt auch das obige Beispiel nach einer Ruptur des ACL.
Weiterhin relevant in der Orthopädie sind Mikronährstoffe, die Bausteine darstellen, beispielsweise Aminosäuren, Hyaluronsäure, das erwähnte Chondroitin und Glucosamin sowie Kollagenhydrolysat.
Mikronährstoffe als Bausubstanz
Neben der Unterstützung im antientzündlichen Bereich bedarf es außerdem einiger Mikronährstoffe für den Auf- und Umbau des Gewebes. So zeigt sich, dass eine Gabe von essentiellen Aminosäuren vor und nach einer Knieendoprothetik-OP einen positiven Einfluss auf die Regeneration des Gewebes, die entzündlichen Marker und die häufig auftretende Muskelatrophie haben kann .
Weitere Bausubstanzen wie Kollagenhydrolysat zeigen sich ähnlich vielversprechend. Potenzielle Mechanismen sind die Reduktion von CTX-II (cross-linked C-Telopeptid des Kollagens Typ II), ein Marker für Knorpeldegeneration, sowie die Induktion der körpereigenen Kollagen- und Proteoglykansynthese .
Liegt der Fokus nunmehr nicht auf der Gelenkregeneration, sondern der Erholung nach Fraktur ergeben sich außerdem eine Reihe weiterer sinnvoller Mikronährstoffe – beispielsweise Mineralstoffe wie Calcium, Magnesium, Bor, Zink und Silicium .
Fazit: Vielfältige Einsatzmöglichkeiten von Mikronährstoffen in der Orthopädie
Nicht nur die Sportorthopädie kann von dem Einsatz ausgewählter Mikronährstoffe profitieren. Auch täglich relevante, chronische Erkrankungen wie Osteoarthritis oder rheumatoide Arthritis zeigen eine Besserung unter adäquater Mikronährstoffsupplementierung.
Im Bereich der Sportorthopädie zeigt sich zudem, dass eine frühe antientzündliche Therapie das Risiko einer Chronifizierung in Form der PTOA verringert. Zusätzlich zur Gabe von klassischen antientzündlichen Medikamenten (oral/intraartikuläre Injektion) ist es potenziell förderlich, auch Mikronährstoffe zu verabreichen.
Angemessene Mikronährstoffe, die in dieser Arbeit besprochen wurden, umfassen, sind aber nicht beschränkt auf antiinflammatorische Substanzen wie MSM, Boswellia und Curcumin sowie Bausubstanzen wie Mineralstoffe, Kollagen, Aminosäuren, Chondroitin- und Glucosaminsulfat.
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